Dies ist der Ort, an dem ich mich in Griechenland verliebt habe. Vor acht Jahren führte mich mein erster Swimtrek auf die kleine Insel südlich von Naxos. Hier bin ich das erste Mal unsicheren Schrittes ins Wasser gewatet, um mehrere Kilometer am Stück im Meer zu schwimmen. Seither zieht es mich jedes Jahr auf die griechischen Inseln. 113 bewohnte gibt es, elf habe ich bisher besucht. Vor allem die Kleinsten der Kleinen ziehen mich magisch an, allen voran immer wieder Schinoússa. Selbst dieses Jahr, als sie eigentlich gar nicht Teil meiner Reiseroute war, habe ich einen Tagesausflug dorthin gemacht.
Es ist schwer zu erklären, was genau ich an Schinoússa so gerne mag. Die Insel ist karg wie so viele Kykladen und wirklich winzig – keine 9 Quadratkilometer groß, zwei Dörfer, weniger als 300 Einwohner. Nur zweimal am Tag (in der Hauptsaison) legt hier die Skopilitis an, die Fähre, die die Kleinen Kykladen miteinander verbindet: einmal am Tag Amorgós ~ Donoússa ~ Koufonissi ~ Schinoússa ~ Iráklia ~ Naxos – und wieder zurück. Es ist wohl genau diese Abgeschiedenheit, die die Insel so besonders macht. Nur wenige nicht griechische Touristen verirren sich hierhin. Außer am Strand herumzuliegen, gibt es ja auch kaum etwas zu tun, keine malerische Chora, keine antike Ausgrabungsstätte zu besichtigen.
Die längste Zeit, die ich bisher auf Schinoússa verbracht habe, war eine Woche zusammen mit einer Freundin. Unser tägliches Programm war abwechslungsarm und tiefenentspannt: Ausschlafen, frühstücken, runter zum Strand laufen. Am Tsigouri Beach gibt es die – meiner Meinung nach – beste Strandbar, inklusive kostenloser Sonnenliegen. Hier dann: lesen, Frappé trinken, schwimmen, lesen, Melonensaft trinken, Nickerchen. Es gibt noch ein paar weitere Strände auf der Insel, diese allerdings ohne Infrastruktur, dafür ist man dort mit Glück ganz allein.
Gegen Abend zurück in den Ort, ein typisches Kykladendörfchen: eine Kirche, zwei Supermärkte, eine Post, eine Apotheke, ein paar Kafenions, Bars und Restaurants. Frisch machen, ein Bier zum Sonnenuntergang. Anschließend am liebsten ins Kira Poutiti – überall in Griechenland habe ich bisher sehr gut gegessen, aber dies ist immer noch mein Lieblingsrestaurant. Moderne griechische Küche, wie es sie auch in Athen gibt. Hier habe ich schon vorzügliches Seeigelrisotto ebenso wie die beste Moússaka gegessen. Und nach meinem letzten Urlaub auf Schinoússa habe ich so lange recherchiert, bis ich einen Händler in Berlin fand, wo ich den Wein, den ich hier getrunken habe, bestellen konnte. Und ja, der schmeckt auch zuhause! Zum Abschluss in die Bar und mit einem Glas Wein in den Sternenhimmel gucken, der hier einem funkelnden Gemälde gleicht.
Zum Runterkommen und komplett Abschalten gibt es wahrlich kaum einen besseren Ort.
Wer sich unsicher ist, ob die totale Abgeschiedenheit wirklich etwas für ihn oder sie ist, bucht vielleicht erst mal nur zwei, drei Nächte hier. Das Tolle ist ja, dass Schinoússa in mitten eines ganzen Inselreichs liegt und man in einem Urlaub ganz unkompliziert zwei oder drei Inseln erkunden kann. Ich weiß nicht, ob ich jemals länger als für eine Woche kommen werde, irgendwie reizt es mich schon. Ich weiß nur: Ich werde immer wieder kommen.
Übernachten: Hotel Iliovasilema Schlichte, kleine Zimmer mit Balkon, aber mehr braucht man hier auch nicht. Bonus: Eine Übernachtung kostet circa ein Viertel dessen, was man in einem vergleichbaren Hotel auf Mykonos oder Santorini zahlen würde.
Eintritt frei, ein Flair wie vor hundert Jahren und nur ein paar wenige andere Gäste. In der Freibadeanstalt am Großen Eutiner See lässt es sich schwimmen wie in den Zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts – mit dem Unterschied, dass L. und ich früher über unterschiedliche Stege ins Wasser gelangt wären. Ansonsten hat sich hier kaum etwas verändert: Die Freibadeanstalt von 1913 besteht aus einer hufeisenförmigen Steganlage mit jeweils 32 flankierenden Umkleidekabinen (links für Damen, rechts für Herren), für die man sich beim Bademeister einen Schlüssel holen kann. Zwischen den Stegen sind ein paar Bahnen, ich schätze circa 50 Meter lang, eingezogen.
Ein paar Wermutstropfen gibt es: Früher befanden sich an den Stegenden Fünf-Meter-Sprungtürme, die, als sie baufällig wurden, leider abgebaut wurden. Für Kinder ist die reine Steganlage sicherlich nur so mittel geeignet. Es gibt jedoch hinter dem Bad eine große Liegewiese. Und normalerweise auch einen Kiosk, der allerdings diesen Sommer coronabedingt geschlossen bleibt. Wir hatten zum Glück unser Picknick dabei. Und wir konnten zumindest ein sehr glückliches Kind beobachten, das spontan sein Bronzeabzeichen machte und dafür vom gesamten Bad bejubelt wurde.
Die denkmalgeschützte Freibadeanstalt ist voraussichtlich noch bis Ende August täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Im Herbst sollen die Steganlagen saniert werden. Ich fand’s herrlich und werde auf jeden Fall nächsten Sommer wiederkommen.
Außerdem zu empfehlen in Eutin: ein Besuch des Schlosses, in dessen schönem Innenhof man sich fast in Italien wähnt. Und SUPs leihen. Das geht am Seepark ganz unkompliziert über Kolula. Vorab Termin buchen, Board aus der Station holen, lospaddeln (und mit etwas Glück unterwegs sogar noch einer Opernprobe auf der Freilichtbühne im Schlosspark lauschen).
nun schwimme ich tatsächlich schon ein Jahr hier in meiner kleinen Bucht des Internets herum – ich hätte wahrlich nicht gedacht, dass ich so lange durchhalte. Es hat mich selbst ein bisschen überrascht, dass mir immer neue Ideen kamen. Einige wenige Geschichten hatte ich zwar schon in der Schublade, ein paar Beiträge habe ich vorbereitet oder mir dafür Unterstützung geholt, viele Texte entstanden aber spontan. Mehr als einmal habe ich beim Schreiben meine Komfortzone verlassen – immer habe ich für diese Stücke das meiste Echo von euch geerntet. Das hat mich enorm gerührt und immer wieder darin bestärkt weiterzumachen.
Tausend Dank euch allen, die ihr mich treu begleitet habt, für die vielen positiven Rückmeldungen im Laufe der Monate – seltenst hier in den Kommentaren, oft auf good old Facebook, häufig aber auch ganz direkt. Ihr glaubt gar nicht, wie gut das tat und wie wichtig das war! Anfangs war mir meine Rumexperimentiererei hier nämlich durchaus etwas peinlich – wer fängt denn 2019 noch ´nen Blog an? Aber mit jedem Text bin ich ein bisschen mehr ins Schreiben hineingewachsen. Und darum ging es mir: mich auszuprobieren. Mit jeder Reaktion hat es mehr Spaß gemacht, habe ich neuen Mut gefasst.
In den letzten Wochen nun war es etwas ruhiger hier. Ich muss zugeben: Ich stecke in einem kleinen Inspirationsloch. Zu gern hätte ich diesen Ausnahmesommer genutzt, um euch etwa die schönsten Badestellen Norddeutschlands zu zeigen. Leider fehlen mir dafür jedoch die Möglichkeiten – besser gesagt: Fahrer oder Führerschein. Aber ich bin dran! Denn wenn ich etwas beim Schwimmen gelernt habe, dann Durchhaltevermögen. Ich habe daher nach einigem innerlichen Hin und Her auch beschlossen, hier noch etwas weiter zu schwimmen. Damit die nächste Strecke aber nicht allzu zäh wird, bin ich auf eure Unterstützung angewiesen: Was hat euch gut gefallen? Was würdet ihr gerne mehr lesen? Was fehlt euch? Ja, ja, ich weiß, am besten kommen die ganz großen Themen wie Herzschmerz und Trauer an, aber zum einen kann ich damit – glücklicherweise – nicht ständig dienen, zum anderen war das eigentlich nicht der Plan. Okay, es gab gar keinen Plan …
Wie dem auch sei, wenn ihr mir zum Blog-Geburtstag etwas schenken wollt, dann würde ich mich über zweierlei freuen: Teilt einen Text, der euch im vergangenen Jahr besonders gut gefallen hat, auf dem Kanal eurer Wahl mit euren Freund*innen. Neue Mitschwimmer*innen sind schließlich immer willkommen. Und: Schreibt mir! Hier, bei Facebook, Instagram oder auf Twitter. Schickt mir Fragen, Gedanken, Ideen. Wie gerne würde ich euch alle zu einer großen Poolparty einladen und mit jeder und jedem einzelnen anstoßen, aber vielleicht können wir ja online ein wenig feiern? Schön, dass ihr da seid!
Standing on board, looking at the sea, I‘m feeling both excited and nervous. Usually, Dimitris takes tourists to the remote beaches you can only reach by boat. Today he has a different bunch than usual: 14 women and men who are about to jump into the water and swim two kilometers around an island. It’s called swimtrekking and is by far not as crazy as it may sound. Other people hike in their holidays, we swim.
Simon, one of our guides, is giving us a sign that it’s time for the Oranges. We are split into three groups according to swim speed. I’m in the slow one. We wear orange caps and we go in first, getting a little head start before the pink and yellow caps so we all finish our swim at about the same time. Before we start, though, it’s arms in the air: Eoin, our second guide, has the pleasure to rub Vaseline on our sensitive parts – under the armpits and the swimsuit straps – to protect us from chafing.
I check one last time whether my goggles are tight – nothing is more annoying than salt water leaking into your eyes while you’re swimming. Then I jump. When all four of us are in the water, we confirm once more about the direction we are supposed to swim – clockwise around Mourteméno. Mourteméno is one of four uninhabited islands that lie close to the mainland in the Ionian sea. It is densely wooded with olive and pine trees and has only a few scattered pebble beaches. As always, I do a couple of breast strokes before switching to front crawl. All my nervousness is gone. I’m breathing to my right, two strokes, breathing to my left, and I’m smiling from ear to ear. The sea is perfectly flat, the water temperature is a pleasant 21 degrees, and the topography beneath me is incredibly beautiful. Mourteméno‘s rocky collar displays the wildest shapes under water. There is so much to see and discover that Simon, who tracks us from a small boat, keeps shouting: „Don‘t race, explore!“ He doesn‘t have to tell me twice.
We swim into caves and through rock arches. I check every alcove, spot carmine starfish clinging to rocks, avoid all sea urchins carefully, see fish in all shapes and colors – blue and green ones smaller than my pinky who only show up in swarms and get all agitated when I come close, yellow and black patterned beauties who pose with elegance between the rocks, and grey ones as big as my hand hiding in the sea grass. It’s like swimming in an aquarium.
After about an hour, we have circled the island and climb back on board. In the afternoon, we swim halfway around the next island Ágios Nikólaos; after 1.7 kilometers we finish at a gorgeous little beach where Eion is waiting with coffee and cookies. The water is crystal clear and shimmering in the most beautiful turquoise – I can’t imagine it being any better in the Caribbean.
In the evening, our group gathers in a tavern at the waterfront. We are a ragtag bunch, between 26 and 62, four Germans, two Americans, seven Brits – one of whom lives in Shanghai, another in Spain. One of us came all the way from Zimbabwe. We are ordering Greek salad, mezze and fresh fish, the table is overflowing with beer, wine and ouzo glasses. Swimming makes you hungry and thirsty. Simon is telling us how he became a SwimTrek guide. He had always been passionate about water sports but only a while ago, when he hit fifty-something, did he decide to quit his office job and swap the desk for the sea. Based on the happy face that welcomes us every morning, it was the right decision.
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The next day, my arms feel tired and my neck is sore. But then, again there is so much to discover that every pain is soon forgotten.
On day three the muscle ache is joined by sunburn – being in the water for over an hour I don’t stand a chance, even with SPF 50. Oh well, my thighs will be tanned like never before by the end of the trip – the backside! To protect my back, I’m wearing a swim shirt with long sleeves. Today we only have one long swim: 4 kilometers around Mourtos – another dark green splotch with light grey fringes in the Ionian blue. I’m feeling a little queasy, the 2.5 kilometers yesterday morning were already pretty tough. Back home in Hamburg I never swim more than 2.5 kilometers in the pool. I know, though, that the distance is not the problem, it’s my constant worry about not being able to keep up with the others.
I’m recalling something my guide last year, Tasmin, said. She is from the Channel Islands, has escorted a couple of Channel swims and told me: „Open Water Swimming is 10 % physical strength and 90 % mental.“ I’m breathing in, breathing out, and diving into the next adventure.
Meanwhile, there are now only three Oranges. Rihannon, who works at the SwimTrek office, had to go back already. So it’s just Sheryl, Richard and me. The surface of the water is as placid as in a bathtub. The three of us are swimming at almost the same speed. I‘m quickly falling into my rhythm, my arms surprisingly feel better then yesterday. I’m doing stroke after stroke, hearing nothing besides my breath, and after about half a kilometer I know: This swim is going to be good.
Simon always keeps an eye on us, while at the same time he keeps enough distance with his boat so that we feel happily alone. Only now and then we swim towards him to get an update on how far we’ve already swum and to grab something to drink. To honour the occasion of the long swim the guides today also hand out wine gums – they neutralize the taste of salt in the mouth at least for a short time.
At some point we almost lose another orange cap. Richard is heading toward another island but Simon catches him before he’s gone too far. I can’t help smiling. On our first evening Richard introduced himself saying: „My orientation is disastrous.“ Oh yes. I keep expecting him to collide with a rock but he always stops short at the last second and looks surprised – as if he‘s thinking: „What are you doing here?“ – then swims on. Unlike Richard, I am good at breathing to both sides, a huge advantage to keeping an eye out in open water.
After almost two hours we reach the bay that is supposed to be our destination today, but there are two party boats floating there; the water is crowded with people and their pool noodles. We decide to keep swimming. Simon informs Dimitris over the radio about our new destination. When, finally, after 4 kilometers, I crawl on board, someone hands me a cold beer. I’m wiped out – and happier than I’ve been in a long time.
Life has shaken me quite a bit over the last two years. But at this moment on a boat in the Ionian Sea, I’m feeling one with myself for the first time in a long while. I’m not missing anything or anybody. Like every sports activity, swimming is always therapeutic – as well as being a way to get out in the wild. My biggest joy comes when everything feels right and I reach a kind of flow state: When the water is calm, when nothing hurts, when I find my rhythm und am keeping up with the others. Like today. In this state, thoughts that went in circles back home start flowing as well. What seemed big only two weeks ago is now small. Until I’m not thinking about anything. Except: Oh, look, an orange starfish.
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On day four the sea is as calm as it’s been all week. In the morning, we do two crossings. What I love about crossings: At some point it’s so deep you can’t see the seabed anymore. Just endless blue with rays of sunshine darting through it. First we swim from the mainland to an island, or rather a big barren rock. From the rock, we swim to the next island that we are circumnavigating. Small Mourteméno is like a big playground for swimmers. Again and again I take a break and climb on a rock to enjoy the view and to see if I can catch a glimpse of the pink and yellow caps following us. In the afternoon, we swim around the second half of Ágios Nikólaos – with that we have circled all four islands.
We have almost perfect conditions on this SwimTrek. It’s not always like this: you can’t book nice weather and calm seas. On other trips, I’ve been swimming against waves and currents so hard that I felt like that I wasn’t moving at all. Instead of taking a breath, I swallowed so much salt water that I thought: Why am I doing this shit? Why am I not lying lazily on the beach? But then, just a short while later, I sat on deck with a mug of hot tea looking at the wavy see and felt a little bit proud that I had overcome this challenge. With every SwimTrek my confidence grows. Today I even go for a swim in the open sea all by myself – unimaginable a couple of years ago.
Finally, on our last day, I’m feeling my limitations despite the perfect conditions. Again, we swim 4 kilometers in one go, this time along the mainland coast, and I’m sensing the last four days of swimming in every muscle, every bone. My arms are tired, my shoulder hurts, every stroke takes all my strength. While Sheryl and Richard seem to get faster every day, I only get slower. I have to try very hard not to focus on the pain but to enjoy every minute in the water. So I focus on my technique, recalling what Simon told me: high elbow – aaa… – and rotation of the upper body. As I slowly fall back into my rhythm, I repeat in my head a sentence that a swim buddy gave me on my first SwimTrek. He told me he always give thanks to his body. This may sound a bit weird but it’s true. I’m forever thankful for this body that carries me more or less easily through the water. I’ve had a couple of slipped discs in the past, in my upper and lower back, I’ve been in chronic pain over month. And now I can swim a couple of kilometers in open water. Therefore: „Thank you, body. Thank you, body. Thank you, body.“
I’m swimming slowly but steadily along the coastline when suddenly Richard is swimming in the opposite direction, toward me. Has he now lost all sense of direction? I’m laughing: „What are you doing?“ With the most lovely British understatement, he replies: „Oh, just taking a little swim. How about you?“ But of course Simon must have asked him to loop around me – that way the guides make sure that the group doesn’t drift too far apart.
Just before we finish we reach one last highlight: two caves. In the first one the water is so cold you could chill white wine in it. The second one only fits three swimmers but has beautiful white stones on the ground so that it’s not dark at all inside. We take a couple of pictures before saying goodbye to the Ionian Sea.
We have swum about 20 kilometers in five days. In the afternoon, I fall into a two hour coma on my hotel bed. Late in the evening, after one last cheery, yet already nostalgic dinner with the group – people I’ve grown so fond of in such a short time – I’m sitting on the balcony with a glass of white wine and a cigarette. I’m looking at the masts of the sailing boats and the lights of Sivota’s harbour. My heart is light. I’m so happy and thankful. And I’m contemplating where I might go next. No matter if it’s Greece, Croatia or Italy, it’s definitely going to be a SwimTrek, that’s for sure. The sea is still calm. Everything seems possible.
Ich stehe an Deck und schaue mit einer Mischung aus Vorfreude und Nervosität aufs Meer. Dimitris bringt mit seinem kleinen Ausflugsboot normalerweise Touristen an die einsamen, nur vom Wasser aus zugänglichen Strände. Heute hat er eine etwas andere Gruppe als sonst an Bord: 14 Frauen und Männer, die gleich ins Wasser springen werden, um 2 Kilometer rund um eine Insel zu kraulen. Swimtrekking nennt sich das und ist eigentlich gar nicht so verrückt, wie es sich im ersten Moment vielleicht anhört. Andere wandern in ihrem Urlaub, wir schwimmen.
Simon, einer unserer zwei Guides, signalisiert, dass es Zeit für die Oranges ist. Wir sind in drei Gruppen eingeteilt, je nach Schwimmtempo, ich bin in der langsamen mit den orangen Badekappen. Wir starten als erstes mit etwas Vorsprung vor den gelben und pinken Kappen, so dass wir am Ende ungefähr zeitgleich ans Ziel kommen. Bevor es losgeht, heißt es allerdings erst noch Arme hoch: Eoin, unser zweiter Guide, hat die Ehre, uns an den empfindlichen Stellen – unter den Achseln und den Badeanzugträgern – mit Vaseline einzureiben, zum Schutz, damit wir uns im Salzwasser nicht wund reiben.
Ein letztes Mal prüfe ich, ob meine Schwimmbrille wirklich fest sitzt – nichts ist nerviger als Salzwasser, das beim Schwimmen in die Augen rinnt –, dann springe ich. Als wir vier vollzählig im Wasser sind, stimmen wir uns noch einmal über die Richtung ab, in die wir schwimmen sollen – im Uhrzeigersinn rund um Mourteméno. Mourteméno ist eine von vier kleinen, unbewohnten Inseln, die direkt vor dem griechischen Festland im Ionischen Meer liegen, dicht bewaldet mit Olivenbäumen und Pinien und mit nur ein paar vereinzelten Kiesstränden. Ich mache wie immer erst ein paar Brustzüge, dann verfalle ich ins Kraulen. Alle Nervosität ist verflogen. Ich atme nach rechts, zwei Armzüge, atme nach links – und grinse von Ohr zu Ohr: Das Meer ist spiegelglatt, das Wasser hat angenehme 21 Grad, und unter mir erstreckt sich eine wunderschöne Landschaft. Mourteménos zerklüfteter Felskranz nimmt unter Wasser die wildesten Formen an. Es gibt so viel zu sehen und zu entdecken, dass Simon, der uns in einem kleinen Boot begleitet, immer wieder ermahnend ruft: „Don’t race, explore!“ Das muss man mir nicht zweimal sagen.
Wir schwimmen in Höhlen hinein und durch Gesteinsbögen hindurch. Ich nehme jede Nische mit, entdecke karminrote Seesterne, die an Steinbrocken kleben, umschiffe vorsichtig alle Seeigel, sehe Fische in den unterschiedlichsten Farben und Formen – von blaugrünen Winzlingen, die nicht mal die Größe meines kleinen Fingers haben, dafür nur im Schwarm auftreten und stets ganz hektisch werden, wenn ich mich nähere, über zitronengelbschwarzweiß gemusterte Schönheiten, die elegant allein zwischen den Felsen posieren, bis hin zu handgroßen Dunkelgrauen, die sich im Seegras verstecken. Als würde man in einem Aquarium schwimmen.
Nach circa einer Stunde haben wir die Insel umrundet und klettern beseelt an Deck. Nachmittags umschwimmen wir zur Hälfte die Nachbarinsel Ágios Nikólaos und landen nach 1,7 Kilometern an einem traumhaften, kleinen Kiesstrand, wo uns Eion mit Kaffee und Keksen begrüßt. Das Wasser schimmert hier im schönsten Türkis – in der Karibik kann es kaum besser sein.
Abends sitzt die gesamte Gruppe in einer Taverne am Hafen zusammen. Wir sind wie immer ein bunt gemischter Haufen, zwischen 26 und 62, vier Deutsche, zwei Amerikaner, sieben Briten – von denen eine in Shanghai lebt, ein anderer in Spanien –, einer von uns ist gar aus Simbabwe angereist. Wir bestellen griechischen Salat, Mezze und frischen Fisch, auf dem Tisch sammeln sich Bier-, Wein- und Ouzo-Gläser. Schwimmen macht hungrig und durstig. Simon erzählt uns, wie er zu seinem Job kam. Er war schon immer ein begeisterter Wassersportler, doch erst vor Kurzem, mit Mitte fünfzig, hat er seinen Bürojob an den Nagel gehängt und den Schreibtisch gegen das Meer eingetauscht. Mehrer Wochen im Jahr ist er nun an den verschiedensten Locations für Swimtrek tätig, und so, wie er uns jeden Tag mit einem Strahlen im Gesicht begrüßt, ahnt man: Der Jobwechsel war die beste Entscheidung.
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Am nächsten Tag fühlen sich meine Arme zunächst schwer an, der Nacken ist verspannt, aber dann gibt es wieder so viel zu entdecken, dass jedes Ziepen bald vergessen ist.
An Tag drei gesellt sich zum Muskelkater der Sonnenbrand – bei mehr als einer Stunde im Wasser habe ich selbst mit Lichtschutzfaktor 50 keine Chance, dafür am Ende des Urlaubs so braune Oberschenkel – hinten! – wie sonst nie. Um meinen geröteten Rücken zu schützen, trage ich ein langärmliges Schwimmshirt. Heute steht nur ein langer Swim an, 4 Kilometer rund um Mourtos – ein weiterer dunkelgrüner Klecks mit hellgrauem Rand im ionischen Blau. Mir ist ein wenig mulmig, die 2,5 Kilometer gestern Vormittag waren nicht ohne. Und auch in Hamburg, im Becken, schwimme ich maximal 2,5 Kilometer. Dabei weiß ich: Die Distanz ist nicht das eigentliche Problem, es ist meine ewige Sorge, mit den anderen nicht mithalten zu können.
Ich rufe mir einen Satz von Tasmin ins Gedächtnis, mein Guide im letzten Urlaub. Sie stammt von den Kanalinseln, hat mehrere Channel Swims begleitet und sagte mir: „Open Water Swimming is 10 % physicality and 90 % mentality.“ Also einatmen, ausatmen und Sprung ins nächste Abenteuer.
Wir sind inzwischen nur noch drei Oranges, Rihannon, die im Swimtrek-Büro arbeitet, musste schon zurück. Mit mir schwimmen nun noch Sheryl und Richard. Die Wasseroberfläche ist wieder glatt wie in der Badewanne, wir drei haben fast das gleiche Tempo, ich finde schnell in meinen Rhythmus, die Arme fühlen sich erstaunlicherweise leichter an als gestern, ich kraule Zug um Zug, höre nichts als meinen gurgelnden Atem, und nach circa einem halben Kilometer weiß ich: Das wird heute gut.
Simon behält uns immer im Blick, wahrt aber mit seinem Boot so viel Abstand, dass wir uns auf gute Weise allein fühlen. Nur ab und zu schwimmen wir zu ihm ran, dann bekommen wir ein Update, wieviel Strecke wir schon geschafft haben, und etwas zu trinken. Zur Feier des langen Swims reichen die Guides heute auch Weingummi-Colaflaschen – sie neutralisieren zumindest für kurze Zeit den Salzgeschmack im Mund.
Irgendwann verlieren wir fast noch eine orange Badekappe: Richard steuert unvermittelt die Nachbarinsel an, wird aber von Simon wieder eingefangen. Ich muss schmunzeln, am ersten Abend hat sich Richard mit den Worten vorgestellt: „My orientation is disastrous.“ Oh ja. Ich warte nur darauf, dass er mit einem Felsen kollidiert, doch stets bremst er in letzter Sekunde ab, guckt kurz überrascht nach dem Motto „Was machst du denn hier?“ und schwimmt weiter. Im Gegensatz zu ihm atme ich zum Glück zu beiden Seiten, was im Meer ein echter Vorteil ist.
Nach fast zwei Stunden erreichen wir einen Strand, der heute unser Ziel sein sollte, doch dort ankern gerade zwei Partyschiffe, im Wasser lauter Menschen mit Poolnudeln, und wir beschließen einstimmig: Wir schwimmen weiter. Über soviel Schwimm-Leidenschaft freut sich Simon natürlich und gibt den neuen Zielort per Funk an Dimitris durch. Als ich dort nach 4 Kilometern schließlich an Deck krabble, reicht mir jemand aus der Gruppe als erstes ein kaltes Bier. Ich bin geschafft – und so glücklich wie lange nicht.
In den letzten beiden Jahren hat mich das Leben ganz schön geschüttelt. In diesem Augenblick habe ich das erste Mal wieder das Gefühl, ganz bei mir zu sein, mir fehlt nichts und niemand. Schwimmen ist eben wie jede sportliche Aktivität immer auch therapeutisch – ebenso, wie in freier Natur zu sein. Mein größtes Glück ist es daher, wenn alles stimmt und ich in den Flow komme: Wenn das Wasser glatt ist, nichts weh tut, ich meinen Rhythmus finde und mit der Gruppe gut mithalten kann. So wie heute. Dann geraten auch meine Gedanken, die sich zuhause noch im Kreis drehten, in Fluss. Was vor zwei Wochen noch groß erschien, wird auf einmal ganz klein. Bis ich über nichts mehr nachdenke. Außer: Ach, guck, da ein oranger Seestern.
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Auch am vierten Tag erwartet uns wieder ruhige See. Wir machen vormittags zwei Crossings, das heißt, wir schwimmen vom Festland zur Insel, die in diesem Fall eher ein großer, karger Felsbrocken ist. Das Tolle an Crossings: Irgendwann geht es unter dir so tief runter, dass du keinen Boden mehr siehst, nur endloses Blau, in das die Sonne diffuse Strahlen wirft. Vom Felsbrocken weiter zur nächsten Insel, die wir wiederum umrunden. Klein Mourteméno ist wie ein großer Spielplatz für Schwimmer. Immer mal wieder klettere ich unterwegs auf einen Stein, um die Aussicht zu genießen und zu schauen, ob ich die pinken oder gelben Badekappen, die uns auf den Fersen sind, erspähen kann. Nachmittags umrunden wir die zweite Hälfte von Ágios Nikólaos – damit haben wir alle vier Inseln geschafft.
Um ehrlich zu sein: Wir haben auf diesem Swimtrek geradezu perfekte Bedingungen. Das ist nicht immer so, gutes Wetter und Windstille kann man nicht buchen. Ich bin auch schon derart hart gegen Wellen und Strömung an geschwommen, dass ich das Gefühl hatte, nicht von der Stelle zu kommen, dass ich statt Luft zu holen eine ordentliche Ladung Salzwasser schluckte und dachte: Warum mache ich den Scheiß hier eigentlich? Wieso liege ich nicht einfach nur faul am Strand? Doch dann saß ich kurze Zeit später mit einem Becher heißen Tees an Deck, schaute aufs wogende Meer und war ein kleines bisschen stolz, dass ich auch diese Herausforderung gemeistert hatte. Und mit jedem Swimtrek wächst mein Selbstvertrauen. Inzwischen traue ich mich auch, alleine im offenen Meer zu schwimmen – vor ein paar Jahren noch undenkbar.
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Am letzten Tag komme ich schließlich doch trotz perfekter Bedingungen an meine Grenzen: Wir schwimmen wieder 4 Kilometer am Stück, diesmal entlang des Festlands, und ich spüre deutlich, dass mir schon vier Tage Schwimmen in den Knochen und Muskeln stecken. Meine Arme fühlen sich bleischwer an, die Schulter ziept, jeder Armzug scheint ein Kraftakt. Während Sheryl und Richard vor mir, wie mir scheint, mit jedem Tag schneller werden, schwimme ich immer langsamer. Jetzt hilft nur, sich nicht auf die Zipperlein zu fokussieren, sondern zu versuchen, trotzdem jede Minute im Wasser zu genießen. Ich konzentriere mich auf meine Technik und rufe mir die Tipps ins Gedächtnis, die mir Simon gegeben hat: Ellenbogen hoch – aua – und immer schön mit dem Oberkörper rotieren. Und während ich in meinen Rhythmus zurückfinde, wiederhole ich im Kopf mantraartig einen Satz, den mir ein Schwimmbuddy auf meinem ersten Swimtrek mitgab. Er würde sich immer bei seinem Körper bedanken. Klingt vielleicht etwas eso, aber es stimmt: Ich bin meinem Körper, der mich mehr oder weniger geschmeidig durchs Wasser trägt, dankbar. Ich hatte schon mehrere Bandscheibenvorfälle, an der Hals- und an der Lendenwirbelsäule, über Monate chronische Schmerzen, und jetzt schwimme ich mehrere Kilometer durchs offene Meer. Daher: „Thank you, body. Thank you, body. Thank you, body.“
So hangele ich mich die Küste entlang, als mir auf einmal Richard entgegen kommt. Das kann doch nicht sein, denke ich, dass er derart die Orientierung verloren hat, und frage lachend: „What are you doing?“ Mit schönstem britischen Understatement antwortet er: „Oh, just taking a little swim. How about you?“ Dabei hat ihn natürlich Simon aufgefordert, eine Extra-Runde zu drehen – so sorgen die Guides dafür, dass wir als Gruppe nicht zu weit auseinander driften.
Dann kurz vor Schluss ein letztes Highlight: zwei Höhlen. In der ersten ist das Wasser auf einmal so eisig, dass man darin Weißwein kühlen könnte. Die zweite fasst gerade mal drei Schwimmer, hat aber auf ihrem Grund runde, große, weiße Steine, so dass es überhaupt nicht dunkel darin ist. Wir schießen noch ein paar Erinnerungsfotos, bevor wir uns vom Ionischen Meer verabschieden.
In fünf Tagen sind wir gut 20 Kilometer geschwommen. Nachmittags falle ich im Hotel in ein zweistündiges Koma. Spätabends, nach einem fröhlich-wehmütigen, letzten Dinner mit der Gruppe, die mir in kurzer Zeit ans Herz gewachsen ist, sitze ich mit einem Glas Weißwein und einer Zigarette auf dem Balkon. Ich schaue auf die Segelbootmasten und Lichter von Sivotas Hafen, mein Herz ist leicht, ich bin so froh und dankbar und überlege, wo es als nächstes hingehen könnte. Denn egal ob Griechenland, Kroatien oder Italien – auch nächstes Jahr werde ich wieder schwimmen, soviel steht fest. Die See ist immer noch ruhig. Alles ist möglich.
(Ionian Explorer, Juni 2019)
Info
SwimTrek gibt es seit 2003. Damals begann alles mit einem Trip auf den Kleinen Kykladen. Zehn Jahre später war genau das auch mein erster Swimtrek. Inzwischen gibt es Ziele auf der ganzen Welt, in Europa u.a. in Italien, Kroatien, Montenego, darüber hinaus in der Karibik, auf den Galapagos Inseln, Seychellen und Malediven.
Gibt es einen passenderen Ort, die zwanziger Jahre schwimmtechnisch einzuläuten, als diesen? Ehrlicherweise war es Zufall. Ich habe einfach wie immer, bevor ich einen Städtetrip mache, recherchiert, was es für Schwimmbäder vor Ort gibt und stieß so schnell auf das Badeschiff, das unterhalb der Bibliothèque François-Mitterand in der Seine liegt und nach der berühmten Tänzerin benannt ist, die in den Zwanzigern des letzten Jahrhunderts aus den USA nach Frankreich zog. (Ich konnte nicht herausfinden, ob Joséphine selbst begeisterte Schwimmerin war, aber sie ließ sich neben ihr Schloss in der Dordogne wohl einen Pool in Form eines J bauen.)
Das Badeschiff schwimmt seit 2006 in der Seine. Neben einem 10-mal-25-Meter-Becken bietet es ein Fitnessstudio, eine Sauna, ein Hammam (beides derzeit leider geschlossen) und im Sommer ein Sonnendeck mit Liegestühlen. In den warmen Monaten wird außerdem das Glasdach geöffnet, was besonders schön sein muss.
Foto Mark O‘Flaherty/Alamy; Foto oben Samantha Ohlsen/Alamy
Ich war im Dezember da und, obwohl keine Métro fuhr, wild entschlossen, hier schwimmen zu gehen. Und ich wurde für die drei Kilometer Fußmarsch aus dem Zentrum hinaus die Seine entlang tatsächlich belohnt: ein fast leeres Becken, in dem sich nur sieben weitere Schwimmer befanden, so dass wir uns bequem jeweils zu zweit eine der vier Bahnen teilen konnten. Wäre mein Französisch besser, hätte ich am Beckenrand sogar ein Schwätzchen mit dem freundlichen Herrn in meiner Bahn halten können. Es reichte immerhin, um den Bademeister zu fragen, ob die Pullbuoys zur allgemeinen Verfügung stehen (taten sie).
Glücklich schwamm ich 40 Bahnen, kaufte mir im Anschluss in der Bäckerei an der nächsten Ecke eine köstliche Tarte auf die Hand – und machte mich auf den Sechs-Kilometer-Weg zurück zum Hotel.
Ich habe selten so gut geschlafen wie in dieser Silvesternacht.
Das bin ich mit einem Jahr im Spanienurlaub. Den kritischen Blick habe ich heute noch bestens drauf, aber ich glaube, ich habe danach nie wieder so entspannt mit meinem dicken Bauch am Strand gesessen. Ich weiß nicht mehr, wann es anfing, dass ich mich als zu dick empfunden habe. Aber ich weiß genau, dieses Gefühl hat mich Jahrzehnte begleitet. Jahrzehnte, in denen ich nur selten im Freibad war, mich am Strand nur ungern ausgezogen habe, in denen jedes rare Strandfoto beschnitten werden musste, weil ich mich für meinen Bauch, meinen Po, meine Oberschenkel geschämt habe. Heute gucke ich mir die wenigen Bikinifotos aus meiner Kindheit und Jugend an und denke: WTF??? Denn ich sehe ein hübsches Mädchen – ein Mädchen, von dem ich weiß, wie unsicher und oft auch unglücklich es war, und das es nicht genießen konnte, am See oder Meer zu sein, obwohl ich das Wasser schon immer geliebt habe.
Erst heute, mit über vierzig, mag ich meinen Körper so, wie er ist. Und das habe ich vor allem dem Schwimmen zu verdanken. Zum einen hat es mir, die ich mich nicht nur stets für zu dick, sondern auch für unsportlich hielt, Kraft, Selbstbewusstsein und ein besseres Körpergefühl geschenkt. Dazu hat schon das regelmäßige Bahnenziehen im Pool beigetragen, aber spätestens nachdem ich das erste Mal von einer Insel zur anderen geschwommen war, fand ich diesen Körper echt toll. Zum anderen war es die Erfahrung, dass mein schönster Urlaub einer war, den ich überwiegend im Badeanzug, also quasi halbnackt, umgeben von eben noch Fremden verbrachte. Hätte mir das jemand in meinen Zwanzigern prophezeit! Doch wenn man mehrere Stunden am Tag mit Menschen meist mittleren Alters in Badekleidung verbringt, die alle Bauch, Beine, Po haben, wenn man sich von jemandem den Rücken eincremen lässt, den man gerade erst kennengelernt hat, und wenn man dabei jede Menge Spaß hat, dann pfeift man zum Glück sehr schnell darauf, den Bauch einzuziehen und sich Gedanken über irgendwelche Dellen und Pölsterchen zu machen. Ich erinnere mich noch, wie ich mich auf meinem letzten Swimtrek mit Norma, Anfang sechzig, und Vivian, Ende vierzig, darüber unterhielt, wieviel wohler wir uns heute in unseren Körpern fühlen als mit Anfang zwanzig – trotz nachweislich mehr Falten und nachlassendem Bindegewebe.
Meine Geschichte ist keine besondere. Ich kenne unzählige Frauen, die schon als Mädchen mit ihrem Körper haderten. Viel zu viele, die es auch heute noch tun – Body-Positivity- und -Diversity-Trend hin oder her. Nur weil ein Begriff in Mode kommt, nur weil einige wenige Frauen sich endlich unabhängig von gängigen Schönheitsidealen in all ihrer Pracht im Netz zeigen, heißt das noch lange nicht, dass wir alle, die das toll finden und feiern, uns auf einmal frei fühlen. Jahrzehntelange Erfahrungen mit Diäten, Baucheinziehen, Kaschieren hinterlassen ihre Spuren, das schüttelt man nicht so eben ab.
Auch heute noch, wo ich meinen Körper ehrlich mag und den Großteil meines Urlaubs im Badeanzug verbringe, blicke ich auf dieses Foto von mir am Strand einer griechischen Insel, und was ich vor allem sehe, ist nicht mein strahlendes Gesicht, meinen top Busen oder meine schmalen Waden, sondern breite Hüften und Oberschenkel mit Zellulitis. Diesen kritischen Blick habe ich als Frau gelernt und verinnerlicht, den werde ich vielleicht nie los (aber ich höre mein sechzigjähriges Ich gerade laut lachen). Und genau deswegen zeige ich diese Fotos und erzähle die Geschichte dazu, die nur eine von vielen ist, weil beides vielleicht dazu beitragen kann, dass sich unser gelernter Blick verändert – peu à peu, one picture of perfect cellulite at a time.
Und immerhin: Mein Blick auf das Foto ist zwar noch kritisch, aber gefühlt habe ich mich tatsächlich fantastisch in diesem Moment. (Unbewusst habe ich vermutlich dennoch den Bauch eingezogen. Keine Pointe.)
Letztes Jahr habe ich von meinem Vater eine Wickeltasche und einen Kunststoffblock zu Weihnachten bekommen, und man hat ihm die Verwunderung über die seltsamen Wünsche seiner (kinderlosen) Tochter deutlich angemerkt. Über beide Geschenke habe ich mich jedoch riesig gefreut, sie zählen zur Grundausrüstung meiner Schwimmtasche. Und wer mich kennt, den überrascht nicht, dass diese sowohl funktional als auch schön sein muss.
Immer dabei:
Ein Hamamtuch – das nimmt weniger Platz weg und trocknet schneller als ein Frotteetuch.
Meine Schwimmbrille samt Etui. Ich habe inzwischen einige Modelle getestet. Diese sitzt bombe und sieht auch noch halbwegs elegant aus, wenn man das denn jemals von einer Schwimmbrille behaupten kann.
Ein Pullbuoy, den man sich zwischen die Oberschenkel klemmt, um sich beim Kraulen nur auf die Arme zu konzentrieren. Hat mir vor allem anfangs im Training sehr geholfen, benutze ich aber immer noch gerne, allein der Abwechslung halber.
Und wenn ihr meint, eure liebste Schwimmerin oder euer liebster Schwimmer ist schon bestens ausgestattet: Ein Massagegutschein ist auch immer eine gute Idee!
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Unser Boot lag in einer einsamen Bucht der griechischen Sporaden, der Himmel war wolkenverhangen. Ich stand an Deck und schaute mit mulmigem Gefühl aufs Meer, das unruhiger war, als ich es bisher beim Schwimmen gewohnt war. Gleich würde ich ins Wasser springen, um drei Kilometer entlang der Küste zu kraulen. Wieder einmal fragte ich mich: Was mache ich hier eigentlich? Wieso kann ich nicht wie andere Urlauber einfach nur faul am Strand liegen und ein Buch lesen? Kann ich nicht. Bzw. kann ich schon, aber vorher brauchte ich dieses kleine Abenteuer. Wie sagte M. immer? Mut, Mut.
Wenn ich jemanden beeindrucken will, dann erzähle ich,
dass ich im Urlaub von Insel zu Insel schwimme. Ich bin keine gute
Smalltalkerin und erzähle nicht gerne unaufgefordert von mir. So war es auch
bei meinem ersten Treffen mit M. Wir sprachen eigentlich nur über ihn, und
irgendwann regte sich der Wunsch in mir, ihm zu zeigen, dass ich auch eine ganz
coole Socke bin. Also lenkte ich das Gespräch auf Griechenland und erwähnte in
einem Nebensatz meine Schwimmurlaube. Es verfehlte seine Wirkung nicht, das tut
es nie. „Was machst du?“ Ich erzählte dem Mann, von dem ich in diesem Moment
noch nicht wusste, dass ich gerade dabei war, mich in ihn zu verlieben, wie
wunderbar und unbeschreiblich schön es sei, so eine lange Strecke im Meer zu
schwimmen. Ein paar Tage später beendete er eine Mail an mich mit den Worten:
„Ich denke die ganze Zeit an diese Inselschwimmerei. Total toll.“ Check.
Das war der Anfang unserer Geschichte. Zwei Monate
später, als ich gerade mal wieder nicht wusste, woran ich mit ihm war, sagte M.
mir am Telefon, dass er nun auch seinen Griechenlandurlaub gebucht hätte, aber
leider schon Anfang August da sei. Ich lachte. Ich würde erst Ende des Monats
fliegen, vor allem aber würde ich in einer ganz anderen Ecke des Landes sein.
Da sagte er: „Aber es ist ja ein kleines Land, und ich hätte dir so gerne beim
Schwimmen zugeguckt.“ Als ich später auflegte, kullerten mir Tränen über die
Wangen. Konnte es wirklich sein, dass M., der sich zwischendurch tagelang nicht
meldete, weil er in Arbeit versank, den ich schon wieder über zwei Wochen nicht
gesehen hatte, weil seine private Situation alles andere als unkompliziert war,
bei dem ich eigentlich seit unserem Kennenlernen damit rechnete, dass er
beenden würde, was noch gar nicht richtig angefangen hatte, an uns im
Spätsommer dachte? Ich war erleichtert, ich war gerührt, ich war wieder voller
Hoffnung.
Ein Jahr später blickte ich auf die kabbelige, griechische See und war mir nicht sicher, ob sich mein Herz jemals wieder erholen würde. M. und ich hatten unsere Nicht-Beziehung schon vor über einem dreiviertel Jahr beendet – dennoch konnte ich nicht aufhören, mich zu fragen, an welcher Stelle wir falsch abgebogen waren. In klaren Momenten wusste ich: An mehr als einer.
Einer der Swimguides riss mich aus meinen Gedanken, es war
Zeit für die Yellows. Wir waren wie immer in drei Gruppen eingeteilt, je nach
Schwimmtempo, ich war in der mittleren mit den gelben Badekappen. Nervös prüfte
ich, ob meine Schwimmbrille auch wirklich so saß, dass kein Salzwasser
reinlaufen konnte. Dann sprang ich ins Blau. Als wir fünf vollzählig im Wasser waren,
stimmten wir uns noch einmal über die Richtung ab, in die wir schwimmen sollten
– zunächst würden wir Kurs auf die kleine, weiße Kapelle nehmen, wenn wir die
Insel erreicht hatten, weiter entlang der Küste schwimmen. Ich machte wie immer
erst ein paar Brustzüge, dann begann ich zu kraulen und versuchte, meinen
Rhythmus zu finden. Ich atmete nach rechts, drei Armzüge, atmete nach links. Doch
immer wieder schwappte mir eine Welle ins Gesicht, schluckte ich eine Ladung
Salzwasser und verfiel ins Brustschwimmen, um mich besser zu orientieren.
Ich hatte diesmal weniger trainieren können als in den
Jahren zuvor, und die lange Strecke gleich am ersten Vormittag verlangte mir
einiges ab. Ich kämpfte gegen die Wellen, die mich ohrfeigten, gegen meinen
Körper, der langsam war und schmerzte, und gegen meinen Kopf, der mich
stresste, weil ich Angst hatte, mit den anderen nicht mithalten zu können,
obwohl das nicht der Fall war. Nach 3,2 Kilometern kletterte ich schließlich mit
letzter Kraft an Deck und war stolz, es durch diese Waschmaschine geschafft zu
haben. Jemand drückte mir einen Becher heißen Tee in die Hand, ich blickte auf
die raue See und dachte: Wenn M. mich doch hätte sehen können! Ich weiß, er
wäre begeistert gewesen. Ich glaube auch immer noch, dass seine anfängliche
Begeisterung für mich echt war. Ich weiß nur nicht, wann genau sie verloren
gegangen ist. Dafür ahne ich, warum.
Ein kluger Mann schrieb einmal: „Es gibt ja nichts
zwischen Affäre und Beziehung, entweder, man hält das alles auf einem Level und
macht nicht viel mehr, als sich zum Vögeln zu treffen, oder man muss sich
darauf einlassen, dass es sich entwickelt; enger wird; näher. Dass man sich
liebt.“ Er irrte. M. und ich hatten sechs Monate aus Angst weder Beziehung noch
Affäre. Ich hatte aus Angst, ihn zu verlieren, nie mehr verlangt, obwohl es
mich mehr Kraft kostete, als ich hatte. Er hatte aus Angst, sich auf jemanden
einzulassen und dann doch wieder zu merken, dass er noch nicht soweit war, vor
jeder Verbindlichkeit zurückgeschreckt. Mit dieser Angst haben wir aus zwei
Richtungen die Funken der Verliebtheit zwischen uns erstickt, bis nichts mehr
übrig war als Unsicherheit und Überforderung und Quälerei. Bis schließlich
eintrat, was ich seit dem ersten Moment befürchtet hatte: Er beendete das, was
noch immer nichts war.
Zu diesem Zeitpunkt wusste auch ich, dass es so nicht
weiterging, aber gleichzeitig machte mir mein verstörtes Herz ordentlich was
vor: Ich dachte, es wäre eine Chance. Ich war felsenfest davon überzeugt, dass
unsere Geschichte noch nicht vorbei war. Er sagte: „Es tut mir leid, dass ich
Erwartungen geweckt habe, die ich nicht erfüllen konnte. Ich wollte nicht
wahrhaben, dass ich noch immer nicht soweit bin.“ Ich verstand: Es ist nur der
falsche Zeitpunkt. Was er aber meinte, war: Du bist es einfach nicht für mich.
Während unser Boot in einer ruhigen Bucht ankerte und wir
pausierten, um Kraft für die zweite Schwimmrunde am Nachmittag zu schöpfen, dachte
ich an unser letztes Treffen. Vor einem Monat hatten wir uns noch einmal
gesehen. Es war der Tag, nachdem meine Mutter gestorben war. Nach mehreren
Monaten Funkstille hatte ich, ohne zu überlegen, zum Telefon gegriffen, als ich
erfuhr, dass sie ins Hospiz kommt. Und dann war er einfach für mich da gewesen.
Wir tranken zwei Flaschen Wein, sprachen von unseren Müttern, übers Schreiben,
griechische Inseln und unsere Träume. Später standen wir vor meiner Haustür, M.
umarmte mich, sagte: Du riechst gut, hielt meine Hand und schaute mir in die
Augen. Ich bedankte mich für den Abend und ging. An der Haustür drehte ich mich
nochmal um, und da stand er noch immer und schaute mir nach. Oben in meiner
Küche goss ich mir einen Schnaps ein und rauchte eine letzte Zigarette. Ich war
froh und dankbar, obwohl ich in diesem Moment zweierlei wusste: Ich liebte ihn,
so sehr, aber es gab keine Zukunft für uns. Seit einem halben Jahr war er mit
einer anderen Frau zusammen.
Auch in den nächsten Tagen wurde das Wetter nicht viel
besser. An Tag 4 wollte ich erst gar nicht ins Wasser, schon an Deck fröstelte
ich trotz Pulli. Doch sobald ich im Meer war, war alles gut. Der Himmel war
zwar bedeckt, aber die See ganz ruhig. Ich versuchte, ein gleichmäßiges Tempo beizubehalten
und konzentrierte mich darauf, was ich sah: kleine Fischschwärme und wogendes
Gras, einen leuchtend orangen Seestern. Und es funktionierte – nichts tat diesmal
weh, ich fand meinen Rhythmus und genoss jede einzelne Minute.
Bevor ich M. traf, war ich mehr als zehn Jahre Single.
Ich habe manchmal gedacht, dass ich mich nie wieder verlieben würde. Ich hatte
Sorge, dass ich mich womöglich nach so langer Zeit nicht fallen lassen könnte. Als
es dann passierte, war es ganz leicht, bis ich in einen Orkan geriet, der mir
den Boden unter den Füßen wegriss. Ich habe keine Ahnung, ob ich mich noch einmal
so verlieben werde, wie lange es dauern wird, bis es mich wieder so erwischt.
Aber bis dahin werde ich weiter schwimmen, ich werde versuchen, eine gute
Tante, Schwester, Tochter, Freundin zu sein, ich werde das Leben feiern, auch
wenn es mir vermutlich immer wieder die ein oder andere schwer zu nehmende
Welle entgegen spülen wird, aber ich werde den Kopf über Wasser halten. Und wenn
es irgendwann wider Erwarten soweit ist, werde ich wieder springen, ich werde
einen Zug nach dem anderen tun, und ich werde keine Angst haben.
Dies ist keine Jahreszeit für Schwimmer. Die Freibäder haben geschlossen, und nur die Härtesten von uns gehen jetzt noch im See/Fluss/Meer schwimmen. Allen anderen bleibt das Hallenbad und mit etwas Glück ein beheiztes Außenbecken. Während ich meine Bahnen ziehe, träume ich oft von all den Orten, an denen ich noch schwimmen möchte. Ganz oben auf der Liste steht dieser Rockpool, von dem mir unser Guide Lizzie auf meinem ersten Swimtrek erzählte. Damit ihr euch mit mir dorthin träumen könnt, habe ich Lizzie gebeten, mir ein paar Fotos zu schicken und ein bisschen was dazu zu erzählen:
My name is Elizabeth (Lizzie) De Bono. I’m 44 and live in Melbourne Australia. I have been swimming all my life, but mostly in the open water, although I have done a lot of training in pools. My favourite pool is Wylie’s Baths in Coogee, Sydney. I discovered it in 2011 when I was on a short holiday in Sydney visiting a friend. It was around Christmas/New Year and the beach was so busy that when I discovered it, it was like a little haven. It is an ocean rock pool that is 50 yards long so that you can still have a decent swim whilst looking at the sea life. I started working there in 2012 and was there for 4 years, so I swam there most days. Now I just swim there when I visit Sydney, which isn’t often enough.
I love this pool and this place as it is a beautiful little oasis hidden away in a very busy beachside suburb. It is ever changing and can be calm and serene, or wild if the weather and ocean is wild. I always have a good swim there, and I love the atmosphere and the people that swim their daily and cherish it like it is a very important part of their family. It has a beautiful deck on stilts and is also a great place to sit quietly and read or just stare out to the horizon. Whilst working there I made many friends and also learnt about the strong swimming traditions associated with it. Those baths mean a lot of different things to a lot of different people and I enjoyed being a part of that. As I’m writing this I am kind of planning a trip back there, as I really miss it.
Danke Lizzie! Mehr Infos findet ihr hier, unter anderem zur Geschichte des Pools, der 1907 erbaut wurde und einer der ersten für Männer und Frauen in Australien war.