Martha wächst in den Fünfzigern in Dover auf und schwimmt jeden Tag im Meer – bis sie John kennenlernt und heiratet. Fortan kümmert sie sich um den Haushalt und die Kinder und hält ihrem Mann den Rücken frei. Ausgerechnet als dieser eines Tages seinen Boss zum Essen eingeladen hat, bricht Marthas Sehnsucht nach mehr sich Bahn, und statt sich um den Braten zu kümmern, kehrt sie zurück ins Salzwasser. Ein paar Jahre später wird sie das erste Mal versuchen, den Ärmelkanal zu überqueren, später wird es ihr mehrfach gelingen.
«Fast völlig untergetaucht durch das Meer zu gleiten, war für mich wie immer ein Rückzug in eine andere Welt gewesen. Wenn ich kraulte, war ich vollkommen nach innen gewandt, alles andere existierte nicht mehr, und die absolute Stille, die mir das Schwimmen schenkte, war einzigartig. Bei keiner anderen Form des Alleinseins – weder in der Bibliothek noch wenn ich irgendwo auf einer Bank saß – konnten meine Gedanken so frei umherziehen, die Wildnis meiner Fantasien durchstreifen und die Hunderte von anderen Leben, die ich mir für mich ausgemalt hatte. Das ging nur, wenn ich im Wasser war.»
Ausgehend vom Umschlag der deutschen Ausgabe habe ich einen leichten Schmöker erwartet, aber schon auf den ersten Seiten gemerkt, dass in diesem Buch viel mehr steckt. Es geht um die Liebe einer Frau zum Schwimmen, aber auch um die Ehe und darum, was das heißt: «In guten wie in schlechten Tagen.» Um Kinder, die sich entfremden, und Eltern die krank und dement werden, und darum, was das mit einer Familie macht.
Dieser Roman hat definitiv mehr vom rauen Schwimmen in der kalten, englischen See als von dem Schönwetterschwimmen, das ich im Urlaub mache. Ich war schon durch, als ich die kanadische Ausgabe in meinem Regal entdeckte, deren Cover ich viel passender und schöner finde. Aber klar, kommerzieller ist die deutsche Gestaltung und auf ganz andere Art ja auch schön, ebenso wie der Titel. Und weil ich das Buch nun doppelt habe, verschenke ich die deutsche Ausgabe. Wer mag?