Anfang Oktober habe ich in einen kuscheligen Daunenmantel (aus recyceltem PET!) investiert, in der Hoffnung, gut gewärmt darin die Winterabende des Pandemiejahres vor den Bars und Restaurants der Stadt zu verbringen. Daraus wurde leider nichts, dennoch war es die beste Investition der Saison. Denn nun leistet er mir auf meinen abendlichen Spaziergängen gute Dienste.
Ich lebe allein. Als vor ein paar Wochen der „Lockdown light“ verkündet wurde, lag ich mit einem beklemmenden Gefühl zuhause auf der Couch und fragte mich, wieviele liebe Gesichter ich im November wohl sehen würde. Bereits in den Wochen zuvor waren mit steigenden Infektionszahlen Verabredungen immer seltener geworden. Und nun? Wieder Zoom-Trinken? Ich mochte nicht. Alles in mir sträubte sich dagegen.
Zu meinem Glück beorderte mich schon in der zweiten Novemberwoche eine Freundin auf die Straße. Ausgerüstet mit je zwei Piccolos Crémant drehten wir unsere Runden durchs Viertel, stießen auf den Wahlsieg Bidens an und waren wild entschlossen, uns von dem bösen C nicht die Laune verderben zu lassen, zumindest nicht dauerhaft. Bisher gelingt es ganz gut – auch dank abendlicher Spaziergänge wie diesem.

Wenig überraschend: Denn während wir bei Zoom und Co. auf den Bildschirm gucken und nie in die Augen unseres Gegenüber, schafft ein Spaziergang nicht nur echte Nähe, das Gehen bringt auch unsere Gedanken in Fluss. Das macht es so viel leichter, nach der ersten halben Stunde obligatorischen Corona-Talks andere Themen zu finden.
Letzte Woche sammelte mich ein Freund ein. Wir liefen zu unserer beider Stammbar, die derzeit eine Auswahl bester Drinks für unterwegs verkauft, liebevoll abgefüllt in kleine Glasflaschen. Wir bestellten Whiskey Sour – einen gab‘s im Becher auf die Hand, einen für später in die Jackentasche.

Über den leeren Kiez liefen wir Richtung Hafen und setzten uns in der Nähe des Tropeninstituts auf eine Bank. Der kleine Weg dort heißt „Bei der Erholung“. Wie wunderbar ist das bitte? Und wie passend! Denn erholsam war es. Wir sprachen übers Schachspielen, über Serien und Bücher. Dabei tranken wir unsere Drinks und blickten auf die beste Kulisse der Stadt: der Hafen bei Nacht mit seinen Lichtern und den Geräuschen containerstapelnder Krähne. So viel besser als ein Zoom-Date.

Seit heute darf in einigen Hamburger Stadtteilen kein Glühwein to go mehr verkauft werden. Vermutlich folgt bald ein stadtweites Glühweinverbot. Überraschend ist das nicht. Aber schade. Ich bin zwar kein großer Glühweinfan, es gibt wahrlich Leckereres. Aber mir tut es für die Gastronomen leid, die sich in diesen herausfordernden Zeiten immer wieder etwas Neues einfallen lassen. Und dann ist nicht mal das Wenige möglich, weil Mensch nicht in der Lage ist, sich mit Getränk in der Hand ein bisschen zu bewegen, und in Trauben vor den Läden stehen bleiben.
Ich werde meine abendlichen Spaziergänge auf jeden Fall beibehalten. Hoffentlich mit einem zweiten Haushalt an meiner Seite. Und zur Not mit Flachmann in der Manteltasche.
