Und, was machen die Männer?

Neulich saß ich mit meinem guten Freund L. im Garten meiner Lieblingsbar. Wir hatten uns ein paar Wochen nicht gesehen und viel zu erzählen, und es war ein sehr schöner Abend. Nach dem zweiten Drink stellte L. dann die Frage und ich musste ihn kurz anpampen. Das tut mir inzwischen leid, denn stattdessen hätte ich ihm vielleicht auch einfach erklären können, warum mich diese Frage so ärgert. Sie ist natürlich gut gemeint, aber zum einen bohrt sie den Finger in eine Wunde, die mal mehr, mal weniger weh tut. In etwa so, als würde ich eine Freundin, die sich seit Jahren mit Jobs rumschlägt, die sie hasst und für die sie überqualifiziert ist, fragen, was denn die Karriere macht. Zum anderen verweist sie auf eine vermeintliche Leerstelle, es schwingt immer ein bisschen die Sorge mit, ob die arme Julia wohl auch nochmal den Richtigen findet.

Das ist gegenüber L. sicherlich eine nicht ganz faire Unterstellung, trifft aber wohl auf 90 Prozent der Tanten, Freundinnen und Bekannten zu, die sich diesbezüglich in den letzten zwanzig Jahren immer mal wieder nach meinem Befinden erkundigten. Doch während ich bei Tanten nur leicht genervt die Augen rolle und versuche, geduldig zu erklären, warum mein Leben auch ohne Mann an meiner Seite gar nicht mal so traurig ist, vermag ich diese Nachsicht bei Freunden nicht mehr aufzubringen. Wer mich kennt, weiß nunmal, dass die Antwort mit einiger Wahrscheinlichkeit „Nicht viel“ lautet – nicht gerade der Einstieg in ein spannendes Gespräch –, und dass ich andernfalls schon längst ungefragt und freimütig berichtet hätte.

Weil es mir neulich dennoch im selben Moment leid tat, L. angepampt zu haben, versuchte ich, die Situation zu entspannen, indem ich von meinen letzten kläglichen Versuchen des Online-Datings erzählte. Ich hatte ein paar Tage mit P. geschrieben, der einen klugen und unterhaltsamen Eindruck machte, wir hatten uns schließlich locker für die kommende Woche verabredet – und dann habe ich nie wieder etwas von ihm gehört. Online-Dating in a Nutshell. Und was sagte L. zu dieser Anekdote? „Na, da hat es sich doch gelohnt, dass ich gefragt habe.“ Ach ja? Ich finde das Ganze ungefähr so erquicklich, wie wenn sich jemand auf Ebay-Kleinanzeigen nach dem inserierten Sessel erkundigt, ich ausmesse und ihm im Preis entgegenkomme – und dann nie wieder etwas höre.

Was auch der Grund ist, warum ich auf die Frage „Und was ist mit Online-Dating?“ ähnlich allergisch reagiere. Diese wird vor allem gern von Menschen gestellt, die schon so lange in einer Beziehung sind, dass es Tinder & Co. noch gar nicht gab, als sie zuletzt Single waren. Insofern vielleicht legitim, dass sie fragen, womöglich denken sie ernsthaft, das wäre ein netter Zeitvertreib und eine praktische Sache, um dem brach liegenden Liebesleben auf die Sprünge zu helfen. Ist. Es. Nicht. Ich reagiere daher meist ähnlich augenrollend wie bei wohlmeinenden Tanten und erläutere geduldig, warum das so gar keinen Spaß macht. Bestenfalls stoße ich dann schnell auf Verständnis, schlimmstenfalls findet der Paarmensch die Anekdoten wahnsinnig amüsant und möchte mehr hören. Um nochmal auf den Vergleich von oben zurückzugreifen: Wenn mir eine Freundin von einem vermurksten Vorstellungsgespräch erzählt, bei dem nach einer Minute klar war, dass sie für die Stelle heillos überqualifiziert ist und der Job sie überhaupt nicht befriedigen würde, dann kann ich vielleicht kurz über die groteske Situation mit ihr lachen, aber mir ist wohl bewusst, wie unangenehm das ist.

Online-Dating macht keinen Spaß. Punkt. Ich kann zwar nur für mich sprechen, kenne aber auch kaum jemanden, der das Gegenteil behauptet. Ich habe in den letzten zehn Jahren immer mal wieder das ein oder andere Portal ausprobiert und schätzungsweise etwas mehr als ein Dutzend dort generierte Dates gehabt. Nicht einen Mann wollte ich wieder treffen, in den meisten Fällen wusste ich schon bei der Begrüßung: Ein Kaffee und dann nix wie weg. Und es muss ja erstmal zu einem Date kommen! Vorher gilt es, sich durch ein – sorry, Männer – Gruselkabinett zu blättern und unter Hunderten einen zu finden, von dem man sich mit viel Fantasie vorstellen könnte, dass man ihn auch angelächelt hätte, wäre er einem im echten Leben begegnet. Dann muss er das ebenso empfinden, dann das Schreiben … Ich kürze hier ab und fasse zusammen: Es ist ein quälender, zeit- und energieraubender Prozess mit minimalen Gewinnchancen. Weshalb ich eigentlich immer wieder nach kurzer Zeit die App der Stunde lösche und denke: Dann gehe ich doch lieber mit offenen Augen durchs Leben!

Vor allem verbringe ich meine Zeit lieber damit, Dinge zu tun, die mein Leben bereichern, als dass ich in eine App starre, die mir am Ende des Tages den Eindruck vermittelt: Das war’s. Die Guten sind alle weg. Was natürlich Quatsch ist. Ich vermute vielmehr: Die wenigen Guten sind nicht in der App, und die Wahrscheinlichkeit, einem von ihnen auf dem Weg zur Arbeit, am Beckenrand oder in der Bar zu begegnen, ist auch nicht geringer. Zumal ich mich an neun von zehn Tagen mit dem Titel des wunderbaren Buches meiner Autorin Gunda Windmüller identifiziere: Weiblich, ledig, glücklich – sucht nicht. In diesem wahnsinnig klugen Buch legt Gunda dar, warum Singlefrauen kein Mitleid brauchen, sondern eine Gesellschaft, die ihnen abnimmt, dass sie auch alleine glücklich sein können. Denn das Leben allein kann verdammt gut sein. Mein Leben ist verdammt gut.

Ich habe nicht nur ein sicheres Einkommen, ich habe einen Job, der mich erfüllt und mir an den allermeisten Tagen großen Spaß bringt. Ich habe die weltbesten Kolleg*innen und super Freund*innen (auch wenn sie manchmal nervige Fragen stellen). Ich habe eine tolle Familie, die zwar in letzter Zeit mehr geschrumpft ist, als mir lieb ist, die mir aber auch wahnsinnig viel Kraft gibt. Ich erfreue mich überwiegend guter Gesundheit und habe eine wunderschöne Wohnung mit dem vielleicht besten Balkon von St. Pauli. Zu meinem Vierzigsten habe ich mir selbst zwei Monate New York geschenkt. Und wenn nicht gerade eine Pandemie herrscht, unternehme ich fantastische Reisen und schwimme im Meer von Insel zu Insel, was mich sehr glücklich macht.

Mein Leben ist nicht unvollständig ohne Partner. Im Gegenteil: Es ist so voll mit Gutem, dass ich es gerade deshalb oft gern teilen würde. Natürlich wurmt mich das Alleinsein von Zeit zu Zeit. Ohne Frage gibt es da diese Sehnsucht, die mal mehr, mal weniger piekst. Aber ich bin dankbar für alles, was ich habe. In vielerlei Hinsicht fühle ich mich vom Leben reich beschenkt. Ja, wahnsinnig großes Glück in der Liebe gehört bisher nicht dazu. Doch ich möchte darauf vertrauen, dass das Leben voller Überraschungen steckt. Vor zehn Jahren hätte ich nie gedacht, dass es einmal meine größte Leidenschaft sein würde, im offenen Meer zu schwimmen. Oder dass ich mit Mitte vierzig noch anfangen würde, Griechisch zu lernen. Vor zwei Jahren hätte ich nicht geglaubt, dass ich mal einen Blog schreiben würde. Alles ist möglich: heute, morgen, nächsten Monat, nächstes Jahr. Daran möchte ich glauben. Ich hoffe, ihr tut es auch.

Φιλάκια

Julia

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